Wilhelm Schürmann
in der Bibliothek: Bodo Hell
![]() |
Wilhelm Schürmann Bushaltestelle (Frau Höppe und Tochter), 1979–1981, S/W-Baryt, Silbergelatineabzug 28 x 21,3 cm © Wilhelm Schürmann; courtesy, Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln
WILHELM SCHÜRMANN
Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße,
Dortmund 1979 – 1981
Zu Hause – hier Herzogenrath – Berlin 2007 - 2013
In Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung /
SK Stiftung Kultur, Köln.
Eröffnung: Dienstag, 26. März 2013, 19 Uhr
Im Mittelpunkt der Ausstellung des deutschen Fotografen Wilhelm Schürmann steht eine Auswahl von 40 SW-Fotografien der heute als legendär geltenden Serie „seiner“ Straße in Dortmund. Sie ist Teil der Präsentation „Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße 1979–1981“, die von März bis August 2012 in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln zu sehen war.
Für die aktuelle Ausstellung in Salzburg zeigt Wilhelm Schürmann zwei weitere Serien, welche einen Einblick in seine lebenslange fotografische Beschäftigung mit dem Thema „Nachbarschaften“ geben.
Herzogenrath und neuerdings Berlin sind die Wohnorte des Künstlers und zugleich Ausgangspunkte seiner Expeditionen in vertraute Territorien des deutschen Alltags. Diese nunmehr digital aufgenommenen Bilder ergänzen die klassischen Wandbilder durch rasch abfolgende Bildprojektionen am Monitor und verdeutlichen Schürmanns Methode des seriellen Arbeitens. Unverändert präzise richtet sich der Blick des Fotografen auf die oftmals auch humorvollen Konstellationen im urbanen Raum.
Der Fotograf Wilhelm Schürmann (*1946), der heute als Sammler und Kurator für zeitgenössische Kunst international anerkannt ist, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der Steinhammerstraße in Dortmund, einem für die Region typischen Stadtviertel. Nachdem Schürmann 1966 sein Elternhaus verlassen hatte, kehrte er, schon in Herzogenrath bei Aachen ansässig, zwischen 1979 und 1981 viele Male an den ihm vertrauten Ort zurück. In aller Sachlichkeit, aber auch voller Begeisterung nähert er sich dem angetroffenen und über die Zeit kaum veränderten Alltag seiner Kindheit und Jugend. Über 2.000 Schwarzweißnegative entstehen: Die Motive zeigen verschiedene Ansichten der Straße, Fassaden typischer Wohnhäuser, Nachbarschaften, Geschäfte aller Art, ob Reinigung oder Frisör – von innen und außen, Wohnungen, Mobiliar, Einrichtungsdetails wie dekorative Stillleben; zudem Portraits der von ihm angetroffenen Bewohner und im weiteren Radius, Gärten, Beete und Hinterhöfe, Bahnhofsgelände und angrenzendes Brachland. Dortmund ist noch heute die größte Stadt im Ruhrgebiet. Sie war einst ein Zentrum der Montanindustrie, bis der Ende der 1950er-Jahre einsetzende Strukturwandel diesen Wirtschaftszweig fast zum Erliegen brachte. Damit setzte eine Entwicklung mit nachhaltigen Folgen für die dort beheimateten Menschen ein, deren Gemeinschaft und Identität eng mit der Bergbauindustrie verbunden war. Mit dieser Bildreihe schildert uns Schürmann so nicht nur sein frühes persönliches Lebensumfeld, sondern liefert vor allem bemerkenswerte Bilder aus einer Zeit, als in Deutschland weitaus deutlicher noch die Folgen der Nachkriegszeit wirkten und die Illusionen des Wirtschaftswunders von einer Phase der Ernüchterung überlagert wurden.
Durch Wilhelm Schürmanns Blick bestätigt sich die Fotografie als hochwirksames Mittel zur Analyse von Wirklichkeit ebenso wie zur anschaulichen Erzählung über persönliche und kollektive Ansichten und Erinnerungen. In aller Konzentration, mit Humor und Selbstironie zeigt der Fotograf reale Lebensverhältnisse wie auch ein unvergessenes Lebensgefühl. Der aus einer Hosentasche hervorschauende „Wegweiser zum Glück“, eine Broschüre einer Lotto-Toto Annahmestelle ist nur eines der vielen fabelhaft beobachteten Momente.
Die Ausstellung im Fotohof versteht sich auch als eine Verneigung vor einem Fotografen, den mit Salzburg eine gemeinsame Geschichte verbindet. So war Schürmann bereits in den späten siebziger Jahren durch seine Workshops und Ausstellungen am Salzburg College und seine Lehrtätigkeit an der Sommerakademie Anfang 1980 mit Salzburg auf das Engste verbunden.Nach nunmehr 30 Jahren knüpft der Künstler mit dieser repräsentativen Werkschau als wichtiger Anreger der damals auch in Salzburg beginnenden Autorenfotografie an.
Begleitend ist im Hatje Cantz Verlag das umfangreiche Katalogbuch „Wilhelm Schürmann. Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße 1979–1981“ mit einem Text von Gabriele Conrath-Scholl erschienen, ausgezeichnet in Silber mit dem Deutschen Photobuchpreis 2013.
In der Bibliothek:
BODO HELL
In seinem Buch „Stadtschrift“, 1983 in der Linzer edition neue texte erschienen, verfasst der Schriftsteller und Fotograf Bodo Hell ein fotografisches Stück mittels Textfragmenten, die sich in die fragile Architektur Wiens eingeschrieben haben. Mit dem Begriff „Stadtschrift“ assoziieren wir heute meist die visuelle Reizüberflutung in Großstädten, Bilder vom Times Square oder Piccadilly Circus werden wach. Bodo Hells Beschriftungen an Wiener Hauswänden und Auslagen wirken dagegen sparsam. Oft sind es nur einzelne Wörter, aber immer mit knappem Ausschnitt und nur so wenig Umgebung, dass ein Rückschluss auf die Art des Hauses oder gar der genaue Ort fast unmöglich sind. Auch eine andere Erwartung wird in den Bildern enttäuscht: statt unzähliger Markennamen und Werbebotschaften, wie wir sie heute in den Städten gewohnt sind, finden sich fast nur Wörter, die auch jenseits der Marken- und Konsumwelt eine Bedeutung haben. So bietet der Text eines jeden Bildes auch eine allgemeine Symbolik oder Bedeutung an. Selbst Firmennamen wie „Lang“ oder „Lose“ weisen über ihre unmittelbare Funktion hinaus. Es entsteht eine fast magische Welt der Wörter; vertieft man sich in die Betrachtung der Bilder, so könnte man versucht sein, diesen Texten eine geheime Botschaft, einen Code, zu entnehmen.
Wie man es von einem Schriftsteller erwarten kann, stellt er den Text in den Mittelpunkt. Und es ist auch in erster Linie der Wortwitz eines „Alpha“ und „Omega“, der „Manna Konserven“ und der „Wolle Wolle Wolle“, „Felle Felle Felle“, die dem Betrachter ins Auge springen. Den größeren Zusammenhang lässt Bodo Hell im Ungewissen; aber gerade auch deswegen prägen sich diese Stadtschriften auch als Bilder ein. Es sind reduzierte Schwarzweißaufnahmen, die in ihrer Schriftform ihre Zeit und ihre Geschichte enthüllen. Auch zum Zeitpunkt der Aufnahme in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren diese Schriften schon nostalgisch, zeigen vergessene und daher bleibende Zeichen in einer gewandelten Welt. Fast ist man an römische Inschriften erinnert, die sich nur durch die Kenntnis der Geschichte verstehen lassen.
In diesem Changieren zwischen Text und Bild zeigt sich auch die wahre Könnerschaft Bodo Hells. Die Schriften der Stadt sind ein weit verbreitetes Motiv der Fotografie. Sie symbolisieren meist die Informationsdichte, mit der der Betrachter in der Stadt konfrontiert ist, sie zeigen in ihrer Fülle die Überdeckung und Zerstörung der Architektur und des Stadtraums und sie zeigen die Fülle der Werbebotschaften, denen die Stadtbewohner ausgesetzt sind. Um den Inhalt der Texte kümmern sich diese Fotografen zumeist nicht. Genau hier setzt der Schriftsteller Bodo Hell an und führt uns die Texte im Bild wie kostbare, nach langer Suche gefundene Inschriften vor. Und tatsächlich, die Wörter sprechen zu uns, entfalten einen literarischen oder zumindest sprachlichen Assoziationsraum und reihen sich so wie zufällig in das literarische Schaffen von Bodo Hell ein, der immer wieder „gefundene“ Wörter und Texte in den breiten Assoziationsraum seiner Texte einbaut. Eine literarische Arbeit mit fotografischen Mitteln – eine Fotoserie über Textfindungen des Alltags.
Ausstellungsdauer: 27. März - 18. Mai 2013
Öffnungszeiten: Di – Fr 15 – 19 Uhr, Sa 11 – 15 Uhr