Plugged in, Fenced out

von 03.11.2008 bis 13.12.2008

Installation view, Fotohof 2008
 
Der Wohnkomplex “Habitat 67” wurde vom israelisch–kanadischen Architekten und Städtebauer Moshe Safdie in den Jahren 1966 bis 1967 anlässlich der in Montreal stattfindenden Weltausstellung Expo 67 geplant und realisiert. “Habitat 67” wurde zur Ikone einer von Japan ausgehenden metabolistischen Bewegung in der Architektur, die Stadt und Architektur als organische, sich immer wieder erneuernde und an wechselnde Ansprüche adaptierbare Versorgungsstruktur planen wollte. Für einen kurzen Moment stand dieses architektonische Ensemble - im Sinne der urbanen Metabolismusbewegung - für ein “utopisches” Gegenbild zum modernen Konzepte der funktionalen Trennung von Leben und Arbeit, von Wohnen, Freizeit, Transport und Verkehr. In der Ausstellung “Plugged in, Fenced out” wird das fotografische Recherchematerial in eine großformatige, schwarz–weiss gerasterte Wandzeitung transferiert. In die Repräsentation dieser Ikone einer realisierten Utopie werden Module und Collagen von architektonischen Elementen gegenwärtiger Dystopien - temporäre Containerdörfer, Provisorien, mobile Ein- und Aussperrungsvorrichtungen - montiert und eingeschrieben.

Das fotografische Material der Abwicklung von Räumen und Perspektiven wird zu einem räumlichen Dispositiv, das den Verlust des utopischen Potentials der Architektur, aber auch die alltäglichen und spektakulären Dystopien, die gegenwärtig unsere Städte und urbanen Erfahrungen prägen und formieren, verhandelt. “Plugged in, Fenced out” thematisiert aktuelle Urbanisierungsprozesse, deren Logiken von Verwertbarkeit, Flexibilität, Effektivität, Mobilität und dem bloßen Benützen der Stadt und des urbanen Terrains bestimmt sind. Die Arbeit stellt nicht mehr die Frage nach urbanen Utopien, sondern lenkt den Blick auf die unauffälligen, abseitigen, zum Alltag gewordenen, aber auch spektakulären Formen gegenwärtiger “metabolistischer” Prozesse (zb EURO 08, Wien) und fragt nach dem Effekt, den diese Formen auf unseren städtischen Alltag haben. Und das ist — neben der architektonischen, sozialen und politischen — immer schon eine ästhetische Frage: Welche Bilder und „Blickregime“ mediatisieren und legitimieren diese dystopischen Räume, welche Bedingungen ihrer Herstellung werden verschleiert, welche Aneignungs- und Enteignungsprozesse werden in den gegenwärtigen “Raumbildern” und Raumproduktionen sichtbar gemacht? Sind mögliche andere urbane Welten vorstellbar?

Oder mit den Worten Siegfried Kracauer´s aus den 60er Jahren: “Jede Gesellschaftsschicht hat den ihr zugewiesenen Raum.(…) Jeder typische Raum wird durch typische gesellschaftliche Verhältnisse zustande gebracht, die sich ohne die störende Dazwischenkunft des Bewusstseins in ihm ausdrücken. Alles vom Bewusstsein Verleugnete, alles, was sonst gefliessentlich übersehen wird, ist an seinem Aufbau beteiligt. Die Raumbilder sind die Träume der Gesellschaft. Wo immer die Hieroglyphe irgendeines Raumbildes entziffert ist, dort bietet sich der Grund der sozialen Wirklichkeit dar.” (Siegfried Kracauer, Strassen in Berlin und anderswo. Berlin,1987)