Während alle fotografieren
können sich manche
mit der Fotografie beschäftigen

von 06.10.2020 bis 23.12.2020
"Während alle fotografieren können sich manche mit der Fotografie beschäftigen", FOTOHOF 2020
Aglaia Konrad
 

mit Arbeiten von:
Raffaela Bielesch, Martin Bilinovac, Horakova + Maurer, Kerstin von Gabain, Rosa John, Aglaia Konrad, Markus Krottendorfer, Friedl Kubelka, Roberta Lima, Anja Manfredi, Michael Mauracher, Peter Piller, Claudia Rohrauer, Adrian Sauer, Stephanie Stern, Käthe Hager von Strobele, Anita Witek u.a.
Kuratiert von Ruth Horak

 

Eröffnung: Samstag, 3. Oktober, 16–20 Uhr
Ausstellung: 6. Oktober − 23. Dezember 2020

FOTOHOF / Inge-Morath-Platz 1-3 / 5020 Salzburg / Austria
      

Anlässlich der ersten 30 Jahre Schule für künstlerische Photographie Friedl Kubelka hat Ruth Horak Künstler_innen aus dem Umfeld dieser Privatschule eingeladen und zeigt exemplarisch, dass die Fotografie Bild, Botschaft und Medium sein kann, Sound und Objekt, autonom oder eine Hommage.

Als die Fotografie 1839 öffentlich gemacht wurde, sahen Visionäre bereits, dass ihr Auftritt fulminant und ihr Einfluss auf die Welt enorme Ausmaße annehmen würde. Gleichzeitig nahm sich die Fotografie so sehr zurück, dass man bis heute fast immer an ihr vorbei auf das Abgebildete schaut und sie erst sichtbar wird, wenn sie "nackt", ohne ein kleidendes Bild, ist.

1990, als Friedl Kubelka die Schule für künstlerische Photographie in Wien gründete, festigte die Fotografie gerade ihren Status als künstlerische Disziplin. Rund 170 Lehrende wurden seither beauftragt ihre persönlichen Arbeitsweisen, Motive und Materialien an Studierende weiterzugeben. Jedes Jahr bringt unterschiedlichste Facetten der Fotografie mit sich – 1990 andere als 2010 mit Anja Manfredi als neue Leiterin der Schule.
          
Was gleich blieb, ist die Faszination für ein Medium, dessen Anwendungen heute vielfältiger sind als je zuvor, das anspruchsvoll und banal zugleich ist, aufwändig produziert ist oder nebenbei passiert, das zum Alltag, zur Wissenschaft, zur Kunst gehört und damit stets aufs Neue evaluiert werden muss, wo die Fotografie beginnt, wie weit sie reicht und welchen Einfluss ihre Omnipräsenz auf die künstlerische Fotografie hat.

Parallel zur Ausstellung erscheint in der FOTOHOF edition die Festschrift: Die ersten 30 Jahre – Photographie, Hg. Anja Manfredi.

Ruth Horak ist Kunsthistorikerin und Kuratorin für zeitgenössische Fotografie.

 

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Interview mit Friedl Kubelka im Standard vom 17.10.2020:
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Ausstellungsbesprechung von Reinhard Kriechbaum für DrehpunktKultur
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Die ersten 30 Jahre − Photographie
FOTOHOF edition, 2020
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Künstler_innenbeiträge in der Ausstellung:

Raffaela Bielesch
Ein Feuerwerk geleitet uns in die Jubiläumsausstellung. Der Moment, in welchem Licht und Dunkelheit in einem explosiven Extrem einander begegnen, ist einmal als Positiv und einmal als (absichtlich seitenrichtig produziertes) Negativ nebeneinandergestellt.

In einem weiteren Beitrag hat Raffaela Bielesch einen „Arbeitsplatz“ mit Recherche­materialien und ihren künstlerischen Ergebnissen eingerichtet. Es geht um Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927), die bekannt war für ihr außergewöhnliches und provokatives Auftreten (New York Dada). „Sowohl auf sprachlicher Ebene als auch mit ihren selbstgemachten Kostümen, die Alltags­gegen­stände und vermeintlichen Abfall integrierten, kritisierte und forderte sie die bürgerliche Auffassung von weiblicher Schönheit und Werteverhältnissen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts heraus.“  (RB)


Kerstin von Gabain
Die Dominanz der großen Kamerahersteller am Markt ist kaum besser dar­zustellen, als über die High-End produzierten ganzseitigen Anzeigen­schaltungen, wie sie in den 1980er Jahren in internationalen Magazinen zu finden waren. Heute bangen diese angesichts der immer elaborierteren Kameras, die in unseren Smartphones integriert sind, um ihren Status. Kerstin von Gabain hat bei einem Aufenthalt in Japan fünf solcher Anzeigen aus Magazinen für und über Fotografie ausgesucht und eine davon als überdimensionalen Print – an Formate der Großflächen­plakatwerbung angelehnt – produzieren lassen. Die Canon A-1 (von 1978 bis 1985 gebaut) gilt als erste Kamera mit Programmautomatik, womit sie (neben zahlreichen andere kostengünstigen und leicht zu bedienenden Modellen von japanischen Herstellern) den Massenmarkt eroberte.


Friedl Kubelka
Als sie 1990 die Schule für künstlerische Photographie gegründet hat, war die Fotografie noch analog und ein Papierbild, das man in der Hand halten konnte. Die Dunkelkammer, bestehend aus einem Nass- und einem Trockenbereich war das Herz der Schule in der Garten­gasse und Produktionsort der eigenen Jahresporträts. Den Unterricht bestritten Protagonist_innen aus dem künstlerischen Umfeld von Friedl Kubelka, die nicht zwingend Fotograf_innen sein sollten: so sind Hans Scheirl, Hermann Czech, Franz Schuh oder Timm Starl auf den Fotomontagen zu finden, die Friedl Kubelka 1992, 1997 und 2000 als Vorlagen für die Visitenkarten der Schule ange­fertigt hat, und die gleichzeitig Erinnerungen an die mit jedem Schuljahr wechselnden Akteur_innen sind.


Rosa John
Keine Fotografie ohne Licht – die Kamera als feinmechanisches Präzisionsinstrument sorgt dafür, dass nur eine exakt bestimmbare Lichtmenge in ihr Inneres eindringen darf. In genormten Blendenstufen von 1,4 / 2 / 2,8 / 4 / 5,6 / 8 / 11 / 16 / 22 kann ein Kameraverschluss justiert und damit (gemeinsam mit der Verschlusszeit) der Lichteinfall gesteuert werden. Rosa John hat 9 solcher klassischen Blendenschritte aus dem Objektiv-Zusammenhang herausgelöst, hat diese um ein Vielfaches vergrößert und sie physische erfahrbar gemacht, indem sie ihnen (die sonst nur Öffnungen oder Löcher sind) Körper aus Messing gegeben hat.


Horakova + Maurer
Bekannt für ihre konzeptuelle Art, die Fotografie zu denken, hat das Künstlerpaar seinen Beitrag auf einer provokanten Geste aufgebaut: dem Zerschneiden analoger Planfilme. Zwei belichtete, aber nicht entwickelte Kodak Ektachrome Filme, 8 x 10 inch, sind mit einer Geste, die sowohl an Lucio Fontana als auch an Zorro erinnern darf, aufgeschlitzt und anschließend gescannt und auf Baryt ausbelichtet. Im Gründungsjahr der Schule, 1990, war die Fotoindustrie auf ihrem Zenit. Bis heute wurden zahlreiche dieser klassischen, lichtempfindlichen Materialien aufgelassen und der „Last Print“ kann als Synonym für das Ende einer auf Film basierenden Fotografie gelten (im November 2011 wurden Horakova und Maurer von Ilford darüber informiert, dass es nur mehr eine letzte Charge ihres bis dato genützten Fotopapiers gebe).


Peter Piller
Bekannt für seine Auseinandersetzung mit bestehenden Bildern, die er aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen löst und in neue stellt, kombiniert Peter Piller zwei Bildsorten, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit beide über Abdruck und Kommunikation sind: Aus einem FBI-Magazin stammt die Anleitung, wie man eine Hand schwärzt, um ihre Fingerabdrücke abzunehmen. Die beiden anderen sind frühen wissenschaftlichen Publikationen über Höhlenzeichnungen entnommen, in welchen sogenannte „unbestimmte Linien“ abgebildet sind, über deren kommunikativen Gehalt man Jahrtausende später nur mehr spekulieren kann. Pillers Reproduktionsprozess bleibt im finalen Bild absichtlich sichtbar (Lichteinfall, Unschärfen) um über die lesbaren Botschaften hinaus auch den Umgang mit Bildern (s/w Aufnahmen, Druckkorn, Reproduktion etc.), zu zeigen.


Anita Witek
Anita Witek hat anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Schule 30 Ausschnitte aus verschiedenen Printmedien der Jahrgänge 1990-2019 reproduziert, die im Original nur rund 2×2,5 cm klein sind. Sie hat dafür jeweils den erstmöglichen Schärfebereich gesucht, der bei einer maximalen Nähe der Kamera zum Motiv möglich war. Die Bilder sind so eng beschnitten, dass sie zuerst abstrakt wirken, aber gleichzeitig doch so vielgestaltig sind, dass man auf Grund ihrer Formen und Farben Gegenstände erahnen kann und sich unter dem mehrdeutigen Titel „Do it in the Dark“, der von einem Handbuch für Labortechnik aus den 1970er stammt, diverse Assoziationen anstellen lassen.


Stephanie Stern
A different Yellow (120×85 cm) ist das abstrakte Ergebnis einer Sammlung gelber Gegenstände. Das ursprüng­liche Stillleben hat Stephanie Stern am Computer zigfach vervielfältigt und bei gleichbleibender Auflösung im Maßstab verändert, so lange bis nur mehr Fragmente der Objekt­eigenschaften übrig waren.

Silenct Cycle without Memory (120×84 cm) basiert auf einer ähnlichen Vervielfältigung. Diese hat allerdings nicht am Computer stattgefunden, vielmehr hat Stephanie Stern das Motiv – 8 gebogene Holzlatten – in den verschiedensten Konstellationen fotografiert und erst anschließend kompiliert, sodass die Ausgangsmotive bei aller Kleinheit noch gut sichtbar sind.


Roberta Lima
Für ihre Performances bekannt zeigt Roberta Lima Fotografien und einen Film, welche die Performance ReBirth dokumentieren. In der Gegenüberstellung der stillen und der bewegten Bilder wird ein großes Thema der Fotografie offengelegt, nämlich wie verbindlich die Wahrheit ist, die wir als Betrachter_innen, die nicht live zugegen waren, von diesen Medien vermittelt bekommen.
Jede Fotografie gibt nur einen Ausschnitt der Realität wieder. Die filmische Dokumentation erweitert des Erfahrungshorizont um andere sinnliche Ebenen.


Käthe Hager von Strobele
Der Titel der 7-teiligen Serie sagt schon alles: „Moiré“. Ein Begriff, der für ein Ärgernis steht, wenn sich fein-linierte Motiven mit einer wellenförmig ausladenden Linienführung gegen eine mediale Übertragung wehren. Absichtlich und unter humorvollen Bedingungen herbeigeführt, entfalten sie jedoch ihre Reize.


Down to Earth
Auf dem zentralen Sockel – ein Deckenelement des Fotohofs wurde dafür auf den Boden gespiegelt – kommen Stücke zusammen, die die gezeigten Werken umspielen: sie zeigen Materialien aus der Recherchephase (Bielesch), sind das Motiv selbst (Manfredi, Bilinovac) oder ergänzen es (Rohrauer), reichen von der Editionsbox (Mauracher) bis zur filmischen Dokumentation (Lima). Denn die zentrale Herausforderung jeder künstlerischen Ausbildung ist: Wie wird aus einer Idee und einem Motiv schlussendlich ein Werk?
Die eben erschienene Festschrift Die ersten 30 Jahre – Photographie liegt ebenfalls hier auf. Aus den rund 100 Beiträgen sind exemplarisch 17 in der Ausstellung zu sehen.


Michael Mauracher
Kann man noch Palmen fotografieren, wenn sie schon jemand wie Ed Ruscha (1971) fotografiert und publiziert hat, oder ist ein Motiv dann ein für alle Mal besetzt? Die Appropriation Art sagt: Alles ist möglich. Als postmoderne Variante des Ready-mades hat sie auch die Kopie legitimiert, sofern zusätzliche Ebenen mit ins Spiel kommen. Im konkreten Fall hat Michael Mauracher 14 Palmen –  A Few Iconic Palm Trees (Mapping Mid-Century Modern Architecture in Southern California) –  an die nicht minder ikonischen Gebäude geknüpft, in deren Vorgärten und Gärten von Palm Springs und Palm Desert er sie 2015 fotografiert hat (Albert Frey House, Schindler House, Richard Neutra, Frank Lloyd Wright …). Damit sind sie vor allem eine Hommage an die (heutigen) Denkmäler des Mid-Century-Modernism, die ab den 1930er Jahren in der kalifornischen Wüste errichtet wurden.


Rosa John
Der Arbeitsmantel für eine Kamerafrau ist eine Maßanfertigung aus einem von Rosa John entworfenen Stoff. Der Rapport zeigt Prismen bzw. eine von ihnen ausgehende Lichtbrechung, die aus der Broschüre eine Objektivherstellers zitiert sind.
In Ways of Looking (Prisms) greift sie dieses Tool der Lichtlenkung, das man nie zu sehen bekommt, erneut auf. Normalerweise im Inneren verborgen, legt Rosa John Glaskörper, wie sie in Kameras und Teleskopen verbaut sind bzw. deren ästhetisches Potential frei.


Adrian Sauer
In einem 3-teiligen Hörstück hat Adrian Sauer Sätze über die Fotografie, ihren Status und ihre Rolle in der Gesellschaft einsprechen lassen: „Wir haben Softwarefilter, die aus einem Bild jedes andere machen, ohne Widerstand, ohne Phantasie.“ Die prägnanten Aussagen nehmen unweigerlich Kontakt zu den Ausstellungsbesucher_innen auf, weil sie aufschlussreich, überraschend, mitunter provokant oder widersprüchlich sind. Eine Stimme hinterfragt László Moholy-Nagys Manifest „Die beispiellose Fotografie“ von 1927, indem sie dieses aktualisiert und versucht mit seinem schwärmerischen Ton die Fotografie in der Gegenwart zu betrachten. Eine zweite Stimme bezieht sich auf Lucia Moholys Buch „One Hundred Years of Photography“ von 1939, in welchem sie das Verhältnis von Fotografie und Demokratie thematisiert.

1. Fotografieren ist
2. Ist die Fotografie noch beispiellos
3. Demokratie und Fotografie


Aglaia Konrad
Wollte man Aglaia Konrads Interesse an Architektur mit Tags belegen, würden die folgenden Begriffe vorkommen: demolition, gentrification, urbanisation, brutalisme, economies, material transformation, fassadisme, lifespan reduction, glassarchitecture, failed architecture, contemporary ruins. Konkret sind in der Fotomontage MakeUp II Fotografien vom heutigen Arbeitslosenamt in Brüssel (1870 als erstes großes Kaufhaus von Belgien gebaut), sowie vom Abbruch eines flämisches Ministerium (Boudewijngebouw). Letzteres wurde 1990 vom erfolgreichen Architektenteam Jaspers-Eyers gebaut. Deren Bürogebäude sind bekannt für ihre kurze Lebensdauer. Nach 20-25 Jahre werden sie abgerissen und an ihrer Stelle von denselben Architekten neue errichtet.

In ihren Undecided Frames bringt sie ein zutiefst fotografisches Thema zum Ausdruck: Welche der beiden Aufnahmen ist die bessere? Welcher Ausschnitt, welche Distanz zum Motiv uvm. sind Entscheidungen, die jede/r Fotografierenden treffen muss. Aglaia Konrad: „It deals with the problematic, which is inherent to the photographic practice, the choice of the absolute best picture.
To me that choice is quite often difficult to make because one step to the right or to the left or at least 5 sec. later the situation becomes different enough to justify the photographic standpoint, by offering the dilemma of choice to the onlooker, the demand for reflection is inherent in the perception process.


Markus Krottendorfer
Eine reale Reise zu einem fiktiven Gebirge, das man 1799 in eine Landkarte an der Stelle der heutigen Elfenbeinküste eingefügt hatte, und das sich in sämtlichen Karten Afrikas bis ins frühe 20. Jh. gehalten hat. Dann eine fiktive Reise zum Castel Grayscull, wo sich die Masters of the Universe in den 1980er Jahren eingefunden haben, repräsentiert von einer realen, wenn auch fantastischen Skulptur auf Fuertaventura. Die Grenze zwischen realen und fiktiven Welten bleiben in beiden Fällen uneindeutig. Und in welcher der beiden hätte überhaupt die Fotografie die größere Berechtigung? Wie nehmen wir Farben wahr, in der Realität, im Bild, bei Tag und bei Nacht? Die Fotografie ist für Markus Krottendorfer eine Medium, um Geschichten zu erzählen.


Claudia Rohrauer
„Selbstporträt als Entwicklungstank entstand 2018. Im September 1998 stand der Entwicklungstank ganz oben auf der Liste mir vollkommen fremden Gegenständen, die für den Werkstättenlabor-Unterricht an der Abteilung für Photographie und AV-Medien an der Graphischen zu besorgen waren. Das war zu Beginn des ersten Schuljahres, damals war ich 14 Jahre alt. 22 Jahre nachdem ich meinen Namen in Großbuchstaben mit permanent Marker auf den leuchtend orangen Verschlussring geschrieben hatte, begreife ich diesen Akt, so pragmatisch er damals auch war, als den ersten, wenn auch unbewussten Versuch, mir das Medium anzueignen.“ (Auszug aus Claudia Rohrauers Beitrag zur Jubiläums-Publikation Die erste 30 Jahre – Photographie)


Anja Manfredi
Ausgangspunkt der Fotografien von Anja Manfredi ist ein Set roter Stangen, das zu Maria Montessoris „Sinnesmaterialien“ zählt und zum Erlernen ordnender, motorischer und begrifflicher Fähigkeiten ist. Im Lauf der Werkserie formiert Manfredi die Stangen um, ersetzt Holz durch Stoff und hält diese Inszenierungen z.B. mit einer Großformatkamera fest, oder als Fotogramme. Montessori vergleicht den „absorbierenden Geistes“ des Kindes mit dem Fotoapparat. Während der ersten Lebensjahre haben Kinder die Fähigkeit, Umwelteindrücke in ihrer Gesamtheit im Unterbewusstsein zu speichern. Sie werden im Dunkeln des Unterbewusstseins verarbeitet und treten später in geordneter Form, z.B. als Sprache, wieder zutage. Dieser geheimnisvolle Mechanismus ist mit  jenem der analogen Fotografie vergleichbar. Die Kamera nimmt alle Bildinformationen auf, die durch die Linse eintreten. Im Dunkeln des Apparates werden diese gespeichert und zeigen sich schließlich nach dem Entwicklungsprozess auf dem Fotomaterial. (Jürgen Tabor)


Martin Bilinovac
Die Sehwege, die Martin Bilinovac so präzise für imaginäre Betrachter_innen gestaltet, beruhen auf Ruhe, Reduktion und formale Stringenz. Es sind symmetrische stillgestellte alltägliche Raumsituationen. Sie lenken die Wahrnehmung z.B. durch Perspektive, Manipulationen etc. ab und bringen den Blick – aus der Routine hinaus – ins Stolpern.
Die Gegenstände in Gravitation forcieren zudem die Reduktion des dreidimensionalen Raums, indem sie quasi gegen die Perspektive und damit gegen ein Raumgefühl angeordnet sind.


Allgemeines zur Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien

Friedl Kubelka hat 1990 eine Schule mit dem Gedanken gegründet, dass es eine Schule sein solle, in die sie selbst gerne gegangen wäre. Seither wird Jahr für Jahr wird ein spezifisches Programm erarbeitet, seit 2010 unter der Leitung von Anja Manfredi, das in sehr dichten Unterrichtseinheiten stattfindet und ein regelrechtes Eintauchen in die jeweiligen Themen erlaubt. Die Workshop-Leiter_innen wechseln jedes Jahr, damit die Diskurse möglichst vielgestaltig bleiben: Eingeladen werden Künstler_innen sowie Thoretiker_innen, die mit und über Fotografie, aber auch mit anderen künstlerischen Medien arbeiten.

Zum 30-jährigen Bestehen erscheint die Publikation Die ersten 30 Jahre – Photographie (Hg. Anja Manfredi, FOTOHOF edition), mit über 100 Beiträge von Künstler_innen und Theoretiker_innen, die an der Schule unterrichtet haben und/oder auch Absolvent_innen sind.